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Biodynamische Psychologie und Psychotherapie (III)
Ein Überblick anhand von Originalzitaten Gerda Boyesens
Zusammengestellt von Dipl. Psych. Peter Freudl
A. Wesentliche Grundannahmen
Die Biodynamische Psychologie ist eine Körperpsychotherapie. Sie behauptet also, dass allen psychischen Problemen und Störungen (und psychischen Befindlichkeiten überhaupt) ein organisches Äquivalent zugehört, sie also in irgendeiner Form verkörpert sind. Psyche und Körper werden als zwei Seiten desselben Lebensprozesses gesehen. Die Biodynamische Psychologie widmet den tiefen vegetativen Lebensprozessen besondere Aufmerksamkeit.
Der menschliche Organismus wird belebt, durchströmt und beseelt durch die Lebensenergie. Diese Energie ist identisch mit einer angenommenen kosmischen Grundsubstanz.
„Die Liebesenergie, die Herzenergie, die Energie in jeder Zelle, die kosmische Energie im ganzen Körper – all das ist das gleiche und wir können darin die tiefe Zugehörigkeit zur Natur erkennen.“ (Gerda Boyesen; I, S.126)
Das freie und ungehinderte Strömen dieser Lebensenergie wirkt im Menschen eutonisch, klärend, reinigend und heilsam. Ihr ungebremstes Fließen geht mit kraftvollen Gefühlen der Lust und Lebensfreude einher. „Lust ist das Spüren der zirkulierenden Lebensenergie. Dann ist das Leben schön.“ (IV, S. 167)
Der menschliche Organismus ist fähig zur Selbstformung, Selbstregulation und Selbstheilung. Den Eingeweiden kommt neben der Verdauung von Nahrung besondere Bedeutung bei der innerorganismischen Selbstregulation und -heilung zu (Psychoperistaltik-Prinzip). Die funktionierende Psychoperistaltik „stimuliert auch einen angemessenen Energiekreislauf.“ (II, mit M.L. Boyesen, S. 156) „Ich hatte in der Psychoperistaltik den körpereigenen Regulierungsmechanismus zur Eliminierung nervöser Spannungen entdeckt.“ (I, S. 85) „ Die Psychoperistaltik zieht Flüssigkeiten aus dem ganzen Körper an, so dass die Energie wieder befreit wird, um zu zirkulieren.“ (IV, S. 49)
Der von Lebensenergie durchströmte Körper ist eine spirituelle Schöpfung, dessen innere Weisheit uns zu Lebensglück, Bewußtsein und spiritueller Erfüllung drängt.
„Der Körper selbst ist spirituell und möchte unter allen Umständen zu seiner Spiritualität zurückgelangen; zu dem, was er ist…“ (V, S.178) „Um den Körper führt kein Weg herum. Wahre Transformation geht nur durch den Körper.“ (IV, S. 173)
Die Biodynamische Psychologie besitzt ein positives Menschenbild. Sie geht von der Existenz einer „Primärpersönlichkeit“ aus, die in jedem Menschen als Potential bereits vorhanden ist. Ihre volle Entfaltung wird als Therapieorientierung und als Lebensziel gesehen. Die Primärpersönlichkeit ist in „Verbindung mit dem instinktiven Selbst, den primitiven und animalischen Bedürfnissen, jedoch ist das vereint mit dem Transzendenten…“
Im Menschen fließen zwei wesentliche, unterschiedlich gerichtete Energietypen. Es wirken einerseits die aufsteigende „rote“ Energie, die verbunden ist mit dem Überleben und erdhaften, animalischen, starken Ausdrucksemotionen („Zorn, Hass, Furcht, Leidenschaft, Sexualität, Enthusiasmus“…).Ihr Gegenstück ist die absteigende, „blaue“ Energie, die verbunden ist mit spirituellen, sanften, „ewigen“ Emotionen („Versöhnlichkeit, Zärtlichkeit, Verständnis, Geduld, Humor, Liebe, Toleranz, Freude, Nächstenliebe und Objektivität“) (III, S. 80). Die absteigende, kosmische Energie ist mit innerorganismischer Selbstheilung und der Psychoperistaltik verknüpft.
Die Bewegung der Energie ist im Körper eng an die Bewegung von Flüssigkeiten geknüpft.
Reich „verwendet den Begriff des Energiestaus und wir bringen das Konzept des Staus der energetischen Flüssigkeit ein. Das gesamte vegetative System und die physiologische Regulation des Körpers werden durch Druckveränderungen bestimmt.“ (III, S. 78)
Die Biodynamik nahm ursprünglich an, dass der Ernährungskanal im menschlichen Organismus (also der Weg vom Mund bis zum After, den die Nahrung nimmt) das Trägermedium der Emotionen ist. Die endodermalen Wände und Membranen des Verdauungskanals würden als Leitungsbahnen der emotionalen Instinktenergie (Es) fungieren.
„…bezeichne ich den Ernährungskanal auch als emotionalen Kanal. Er hat gleichzeitig die Funktion, als maßgeblicher Leiter und als Hauptspender für unterdrückte Impulse und Triebe zu funktionieren. Hierin ist er dem Freudschen Konzept vom Es vergleichbar. So können wir ihn als „Es-Kanal“ bezeichnen, dem der Solar-Plexus und die emotionalen Organe zugeordnet sind.“ (Boyesen 1977, S. 142)
Der Zusammenhang, dass der Ernährungskanal das alleinige Leitmedium der Gefühle sei, wurde allerdings in späteren theoretischen Darstellungen aufgegeben. Danach können alle körperlichen Membranen Gefühle transportieren.
B. Annahmen zu Gesundheit und Krankheit, zu funktionellen Störungen und zu psychosomatischen Symptomen
Wir sind im Kern gesund. In der Primärpersönlichkeit herrscht ein ausgewogenes Verhältnis von aufsteigender und absteigender Energie, das für unabhängiges Wohlbefinden und Gesundheit sorgt.
Der ganze Organismus ist ein Erfahrungsspeicher und Behältnis des Unbewussten. Konflikte und Blockaden können sich auf allen Körperebenen (sowie der energetischen Hülle des Menschen, der Aura) niederschlagen. (Es gibt also: Muskelpanzer, Eingeweidepanzer; Gewebepanzer, Aurapanzer etc.) Das Gesamt dieser Blockaden äußert sich als Sekundärpersönlichkeit.
„Auf die Frage, wo das Unbewusste sitze, sagt Freud, es befinde sich im Gehirn und in den Nerven. Reich sagte, es sitze in den Muskeln. Und ich sage: Es ist überall, in jeder Zelle, im Darmsystem, auch im Gewebspanzer und zwar in Form von chronischen Überbleibseln, Residualen. Dort setzt es sich fest, wenn man Gefühle und Konflikte nicht äußern durfte und sie verdrängen musste.“ (IV, S. 82)
Jedes Kind wird mit dem Potential zu unabhängigem Wohlbefinden und autonomer Libidozirkulation geboren. Dieser Libidofluss kann schon sehr früh durch wenig einfühlsame Verhaltensweisen der Mutter unterbrochen werden.
„Kinder … haben ein sehr sensibles Herz und eine unendliche Liebesfähigkeit. Die kosmische Energie, die jede Zelle durchströmt, fließ auch zu anderen und wird von anderen empfangen. Der Bruch im Libidokreislauf und der Verlust des unabhängigen Lustempfindens kann leider sehr früh erfolgen. Er ist eine Konsequenz der „Unterbrechungen“.“ (I, S. 126)
Selbst-Umwelt-Konflikte werden zu innerpsychischen Konflikten und manifestieren sich als muskuläre Dystonien , dem Muskelpanzer. Dem entspricht ein körperliches Schreckreflex-Muster. Dieses Schreckreflex-Muster ist die generelle körperliche Reaktion auf eine traumatische Situation.
„Hierbei geschieht folgendes: Der Körper versteift sich durch Muskelkontraktionen, die Beugemuskeln des Körpers dominieren über die Streckmuskeln und gleichzeitig wird der Atem während des Einatmens angehalten. Dieses spezielle Muster tritt bei jeglicher Art von traumatischen psychischen Situationen auf, von einfachen alltäglichen Stressreaktionen bis hin zu den dramatischeren Situationen.“ (VI, S. 13) „Der Körper verkapselt die Gefühle durch Verfestigung und Aufrechterhaltung einer chronischen Kontraktion der Muskeln. Die Energie stagniert, eingekapselt in den so genannten „Repressionsmuskeln“. Somit ist keine psychische Energie mehr notwendig, um die körperliche Verdrängung aufrechtzuerhalten – eine phantastische Methode zur Neutralisierung von Konflikten. Die emotionale Energie wird tief im Körper vergraben.“ (I, S. 28f)
Die Atmungshemmung geht mit einer Verringerung des Energieniveaus einher. Der Kontraktion des Zwerchfells – der zentrale Atemmuskel – kommt dabei eine Schlüsselrolle zu.
„Wenn wir uns vor Augen halten, dass die emotionale Instinkt-Energie vom Es-Kanal, den Darmwänden, aufsteigt, so können wir diese Schlüsselposition des Zwerchfells leicht verstehen. Durch Kontraktion und Senkung kann das Zwerchfell das Aufsteigen der Energie in den Brustraum und somit in die emotionalen Ausdruckszonen – Kopf, Arme, Hände – verhindern.“ (I, S. 121)
Traumatische psychische Situationen bewirken auch eine „latente dynamische Anspannung der Viscera“ – das ist ein Flüssigkeitsdruck im Inneren der Darmwände -, die schließlich zu einem Eingeweidepanzer führt. (II, mit M.L. Boyesen; S. 141)
Auch Situationen konstanter Bedrohung oder eines Dauerstresses, die sich über Monate oder Jahre hinziehen, können einen Eingeweidepanzer hervorrufen.
„Konstanter Stress führt zu einer Situation psychoperistaltischer Geschlossenheit. Der natürliche Selbstregulationsmechanismus wird beeinträchtigt. Schließlich wird der Mechanismus nicht einmal dann arbeiten, wenn er die Gelegenheit dazu hat.“ (III, S. 83)
Symptome haben ihre Wurzel in der unvollständigen Verarbeitung emotional bedeutsamer realer Ereignisse. Zur Entwicklung von pathologischen Strukturen kommt es erst dann, wenn der zugehörige vasomotorische Zyklus (bestehend aus Ladung, Spannung,, Entladung, Entspannung, Erholung und Integration) unvollkommen bleibt. Dies geschieht in der Kindheit dann, wenn die familiäre Umwelt unemphatisch auf die spontane Bewegung, den Ausdruck und die emotionalen Nöte des Kindes reagiert.
„Nur wenn es keine Lösung gibt, kein Ventil, kein Verständnis, nur dann entstehen die Symptome.“ (III, S. 78)
Unabgeschlossene emotionale Zyklen führen allmählich zu einer organischen Veränderung des Körpers im Sinne einer Abnahme der lebendigen Pulsation. Es kommt zur Abnahme der Flexibilität und Spannkraft des Organismus durch Dystonien der Muskulatur , zur Zunahme von toxischen Stoffen im Gewebe, zu Behinderung von Atmung, Blutkreislauf und Stoffwechsel etc.
„Verdrängte Gefühlsenergie lagert sich im Körper ab.“ „Wenn sich der Kreislauf der emotionellen Abreaktion nicht schließen kann, (….) kommt es zu biochemischen Ablagerungen, die schließlich den Gewebepanzer bilden. Das wirkt wie ein Widerstand, der den Energiefluss staut.“ (IV, S.116)
Der Gewebepanzer verkapselt die Gefühlsenergie und hält sie gleichsam gefangen. Gerda Boyesen nennt folgende Metapher für den Gewebepanzer: er sei wie miteinander verklebte und verstopfte Schichten aus Maschendraht, die das Fließen eines Baches blockieren können. Er vermindert die lebendige Pulsation des Organismus.
„Die vitale Energie liegt tief unter dem Gewebepanzer begraben.“ (I, S. 71)
Eingeweide- und Gewebepanzer hängen eng zusammen. Je stärker der eine, desto stärker auch der andere. Auch das Umgekehrte ist gültig: Eine Lockerung des Eingeweidepanzers verringert mit Hilfe der psychoperistaltischen Funktion den Gewebepanzer (und vice versa).
Schwierige Kindheitserfahrungen können Spuren in der Energiehülle des Menschen hinterlassen und einen Aurapanzer konstituieren.
„Unser biodynamisches Konzept der „Internalisierung“ betont den energetischen Aspekt des psychoanalytischen Konzepts der „Introjektion“. Wenn ein Kind oder selbst ein Erwachsener zu den Eltern eine negative Beziehung hat, erwachsen ihm daraus nicht nur Konflikte auf der psychologischen Ebene, sondern er internalisiert gleichzeitig gewisse, für seinen Organismus negative Energien.“ (I, S. 168) „Der biodynamischen Theorie zufolge bewirkt eine Blockierung der Energie in der Aura … an dieser Stelle eine energetische Dichte um den Organismus, die den freien Libido-Fluss verhindert. Ganz besonders die absteigenden, vegetativen Ströme werden durch eine solche energetische Ladung in der Aura beeinträchtigt. Die psychosomatischen Auswirkungen ähneln dann ganz einer übermäßig starken aufsteigenden, emotionalen Strömung im Innern des Organismus, wie es bei den beschriebenen Krisen [aufgrund eines plötzlichen Zusammenbruchs der körperlichen und psychischen Abwehr der] Fall ist.“ (I, S. 168)
Zu starke Provokation von Emotionen, die nicht ausgedrückt oder integriert werden können, führt zu psychosomatischen Symptomen. „Der Druck ist zu stark und die Harmonisierung unzureichend, um den Zyklus zu vollenden.“ (III, S. 79)
Erinnerungsblockaden im Hinblick auf bedeutsame vergangene Ereignisse sind an psychovegetative Zustände geknüpft.
„Wenn die Energie hochsteigt, aber blockiert wird, bildet sich energetische Flüssigkeit. Zusammen mit dem Gewebepanzer kann dies auch eine Blockierung der Erinnerung bedeuten. Biochemische Residuale im Gewebspanzer und in den Synapsen verhindern dann den Prozess, den wir Erinnerung nennen.“ (IV, S. 168)
Bei Überschreiten einer bestimmten Schwelle können die genannten Störungen (Muskelpanzer und entsprechende Charakterpanzerung, Atmungshemmung, Eingeweidepanzer, Gewebepanzer, energetischer Flüssigkeitsdruck, Aurapanzer) eine organische Schädigung – ein Symptom, eine Organerkrankung – hervorrufen.
„Psychosomatische Symptome und nervöse Schmerzen haben ihre Ursache im Gewebepanzer.“ (I, S.81) „Der psychosomatische Schmerz wird durch den Druck energetisch geladener Flüssigkeit auf die Membranen hervorgerufen …“ (I, S.58) „Kommt es nicht zu dieser Harmonisierung, wächst der Druck und die psychosomatischen Symptome, die anfangs nur potentiell oder latent vorhanden waren, überschreiten eine bestimmte Schwelle und werden pathologisch.“ (III, S. 82)
„Energie folgt der Emotion. Und wenn es zu emotionalen Konflikten kommt, staut sich die Energie. Diese Energiestaus ziehen Flüssigkeit an. Letztlich werden alle Krankheiten und Symptome von diesen Flüssigkeitsstaus bewirkt, ebenso wie Psychosen und Neurosen.“ (IV, S.49)
Bei der Entwicklung psychosomatischer Symptome und Organschäden wirken also mehrere Faktoren zusammen und verstärken sich gegenseitig. Gerda Boyesen nennt in ihrer Theorie der Entstehung psychosomatischer Störungen folgende Einflussgrößen: erstens einen psychologischen Faktor (einen inneren Konflikt, beispielsweise zu geben oder zu nehmen), der mit Muskeldystonien, Energiereduktion; Einschränkung der Atmung und Behinderung der Blutzirkulation verbunden ist. Zweitens betont sie, dass das Ausmaß des Gewebepanzers im Organismus bedeutsam ist, der in Verbindung mit einer eingeschränkten psychoperistaltischen Funktion zur Anhäufung von Reizstoffen und energetisch geladener Flüssigkeit führt. Drittens nennt sie Giftstoffe aufgrund von Umweltverschmutzung, die die Qualität von Trinkwasser, Atemluft und Lebensmittel beeinträchtigen. Diese Giftstoffe ziehen ebenfalls Flüssigkeit und verstärken den Gewebepanzer. Viertens weist sie auf die Effekte einer ungesunden Lebensweise hin. Fünftens nennt sie den Faktor zu hoher oder zu geringer Membranspannung, die mit Aurastörungen einhergeht (Bsp. Haut als Energieregulator).
„Das Wechselspiel dieser Faktoren verdient Interesse. Wenn die psychologische Abwehr misslingt, oder neue Konflikte entstehen, oder die Energie verstärkt in Konfliktgebiete des Körpers fließt, bricht das vorherige Gleichgewicht zusammen und das psychosomatische Symptom wird, oft unter Schmerzen manifest.“ (III, S.74)
Biodynamische Körper(psycho)therapie hat sich nach G. Boyesen bei folgenden Problemen als hilfreich erwiesen: akute psychovegetative Störungen mit hohem Leidensdruck, Lebenskrisen und generelle Lebensunzufriedenheit, Muskelschmerzen, Muskelspannung, Haltungsschäden, Erschöpfung, Müdigkeit, allgemeine Nervosität und Unruhe, Angststörungen, Panikattacken, Verzweiflung, Depressionen und Resignation; Selbsttötungstendenzen und Suizidversuche, Posttraumatische Stress Syndrome (PTSD) aufgrund von Sexuellem Missbrauch und Vergewaltigung; Arthritis, Asthma, Herzbeschwerden, Bluthochdruck, Herzinfarkt, Schluckbeschwerden, Erstickungsgefühle, Schilddrüsenstörungen und -erkrankungen, Schmerzsymptome (Rücken, Nacken, Brust, Schultern, Beine), Kopfschmerzen, Migräne, Verwirrtheitszustände, Schlaflosigkeit, Aneurysma, hysterischen Konversionssymptomen, Gewebsatrophien, Ödeme, Nervenentzündungen, Rauschen im Ohr, Schiefhals, Zellulitis, vorschnelle Hautalterung, Zwangssymptomatiken, psychotische Schübe (Schizophrenie, manisch-depressive Psychose; katatone Zustände) (aus I – VI; in der Regel kurze Fallvignetten)
Folgende Anhaltspunkte nennt Gerda für die Arbeit mit akuten funktionellen und psychosomatischen Störungen:
Arbeite an der guten Integration der roten und blauen Energieströme.
Das generelle Prinzip ist: nicht aufschmelzen, bevor die Energie eingesetzt wurde (für Selbstbehauptung, Ausdruck, Kreativität, Handlung) und: nicht zu sehr provozieren, ohne auf zu schmelzen, weil die Energie ansonsten stecken bleiben wird.
Fördere die Kreativität des Klienten. Die kreative Kraft, mit der man in Kontakt kommt, wenn der Muskelpanzer sich löst, „macht die Körpersubstanz gesund.“ (III; S.77) „ Die Lebensenergie, der Strom der kosmischen Energie im Menschen drängt zum Ausdruck, zur Handlung, dahin, der Welt etwas anzubieten. Es geht um eine Bewegung des Austauschs: Geben und Nehmen ist ein kosmisches Grundgesetz. Der Strom der libidinösen Energie muss grundsätzlich im Einklang mit der kosmischen Energie fließen und an das Universum etwas abgeben, andernfalls tritt ein Stau ein, eine Stagnation.“ (I, S. 174)
Betrachte das akute psychovegetative Symptom als Selbstheilungsversuch.
Betrachte das Symptom als kreative (und liebevolle) Leistung des Unbewußten.
Vermeide starke Provokationen von nach oben gerichteter Energie. „Je kränker Menschen sind, je mehr psychosomatische Symptome vorhanden sind, desto mehr arbeite ich mit der Eliminierung.“ (IV, S. 102) (Also: Betone die absteigende Energie)
Die Körperarbeit dient dazu, den nach oben gerichteten Energiefluss, der die Symptome hervorbringt oder stabilisiert, in einen nach unten strömenden zu verwandeln.
Rege den Energiefluss an. „Die Energie findet ihren Weg von selbst. Man muss sie nur in Gang bringen. Das ist das Einfachste und Schwierigste zugleich.“ (IV, S. 118)
Wichtig sind Empathie, Verständnis, Loslassen, Selbst-Aussöhnung.
Behalte die Prinzipien während deiner Arbeit im Kopf, so dass diese Intention dein Handeln leitet.
Der Schwerpunkt liegt auf psychoperistaltischer Körperarbeit.
Finde den „Schlüssel“, an dem die Psychoperistaltik sich öffnet.
Der Körper ist eine Einheit und der „Schlüssel“ kann überall sein.
Achte auf Anhaltspunkte für diesen „Schlüssel“ aus den Erzählungen des Klienten.
Fördere starke psychoperistaltische Reaktionen: je mehr und je lauter die Geräusche, desto besser.
Es ist in Ordnung, direkt am Symptom zu arbeiten. Eine Symptombehandlung besteht darin, die „Taschen energetischer Flüssigkeit“ im Körper zu finden und sie vollständig zu entleeren.
Aurablockaden können das heilsame Einsetzen der Psychoperistaltik verhindern. Der Panzer verhindert die Energiezirkulation. Versuche daher, diese Aurablockaden zu lösen.
Förderlich für Harmonisierung ist, wenn der Klient auf der linken Seite liegt.
Bleibe gelassen und entspannt und vertraue dem Prozess.
Wenn möglich, sorge für ein Happy End der Therapiestunde. „Körper und Emotionen sollen am Ende ruhig und harmonisch sein, wie ein glatter See im Abendlicht.“ (IV, S. 55)
C. Therapieprinzipien allgemein: Heilungsfaktoren, therapeutische Haltungen und der Therapieprozess
Der entscheidende therapeutische Faktor ist die Lebensenergie im Menschen selbst.
„Es ist das Sein, das Wesen selbst, das Therapeut ist und heilt.“ (I, S. 111)
Der Klient verfügt über alle Ressourcen, um heil zu werden. Die Transformation und der therapeutische Fortschritt geschieht durch die vertrauensvolle Hingabe an die Rhythmen der Lebensenergie.
„Jedes Lebewesen, bis hinab zum Einzeller, wird mit seinem autonomen Libidofluss geboren und das Hauptziel meiner Therapie ist, den Patienten damit wieder in Kontakt zu bringen, d.h. ihm zu seinem eigenen inneren Glück zu verhelfen.“ (I, S. 122)
Die Wiederherstellung des autonomen Libidoflusses erleichtert menschliche Beziehungen, befreit von Abhängigkeitsmustern, vertieft die Liebesfähigkeit und intensiviert den Kontakt.
„Der tiefe Kontakt zur eigenen Liebe wird mit dem freien Fluss der Libido intensiver erlebt, und in gleichem Maß entwickelt sich ein Gefühl der Selbstachtung und Zufriedenheit. …Ein Mensch mit seinem eigenen, vollständigen Libidofluss hat es nicht nötig, die Energie von anderen „abzusaugen; er kann Geben und Nehmen wie eine reife Persönlichkeit. Das In-Beziehung-Treten zu anderen geschieht aus der eigenen Mitte heraus, dort, wo der Mensch frei und unabhängig ist und keinerlei Zwang besteht zu Nehmen, Anklammern, Versuchen, vom anderen etwas zu bekommen.“ (I, S. 125)
Der Therapeut oder die Therapeutin vertraut der Weisheit der Lebensenergie und den Impulsen, die von alleine aufsteigen („impinge from within“). Er oder sie übt sich in frei schwebender Aufmerksamkeit und Geschehenlassen. Das wichtigste ist, selbst entspannt und gelassen zu sein und dem Prozess zu vertrauen.
„Ich nenne meine Methode „natürlich“, weil ich dem Körper nur helfe, zu tun, was ein gesunder Organismus ohnehin tut.“ (I, S. 8) „ Ich sagte einfach: Lass es kommen. Und mit dieser Therapie wurde ich berühmt.“ (IV, S. 64) „Die Energie findet ihren Weg von selbst. Man muss sie nur in Gang bringen. Das ist das Einfachste und Schwierigste zugleich.“ (IV, S. 118) „Der Therapeut sitzt nur da in seinem tiefen Glück.“ (IV; S. 129)
Der Therapeut oder die Therapeutin ist bedingungslos auf der Seite des Klienten.
„Die wichtigsten Grundprinzipien meiner Arbeit sind: Menschlichkeit, Liebe, keine Kritik, keine Verurteilung. Schon die Atmosphäre von Liebe allein bewirkt, dass die Psychoperistaltik in Gang kommt.“ (IV, S. 118)
Der Therapeut bzw. die Therapeutin schafft den Rahmen und sorgt mit seiner bzw. ihrer heiteren Präsenz für eine einladende Atmosphäre, so dass der Klient seinen eigenen Weg finden kann. Sanfte oder auch stärkere, provozierende Techniken können den Therapieprozess einleiten. Mit kleinen Interventionen unterstützt er oder sie den Fortgang des Prozesses. Sobald der Prozess in Gang ist, ist das wichtigste, nicht zu stören.
„Das Nicht-Handeln ist eine Behandlungsmethode.“ (IV, S. 122) „Der Therapeut bzw. die Therapeutin muss sich doch nicht anstrengen! Er schafft lediglich die Gelegenheiten, dass der Heilungsprozess im Klienten in Gang kommen und arbeiten kann. Nur dann ist der Prozess authentisch, ursprünglich und gesund. Der Klient entdeckt seine verborgenen Talente, mit denen er geboren wurde. (IV, S. 129)
Enthusiasmus und Begeisterung für die eigene therapeutische Arbeit und das unabhängige Wohlbefinden des Therapeuten oder der Therapeutin sind sehr förderlich für einen guten Therapieprozess.
„Es hat zentrale Bedeutung, dass der Therapeut sich gut fühlt.“ (IV, S. 167)
„Die Aura der Patientin bzw. des Patienten „liest“ die Aura desjenigen, der therapiert. Im besten Fall läßt der Therapeut seinen Klienten Anteil haben an der eigenen Lebenslust, die er empfindet.“ (IV, S. 168)
Der Therapeut oder die Therapeutin soll grundsätzlich aus einer Haltung der Demut und Dankbarkeit handeln.
„ Ein Therapeut soll demütig sein, weil es ein großes Privileg ist, mit Menschen zu arbeiten und ihnen zu helfen.“ (IV; S. 118f) „Es geht um Zuhören und verstehen, es geht um Demut und das Eingeständnis, dass man vieles einfach nicht weiß.“ (IV, S. 120f)
Der Therapeut oder die Therapeutin ist durch einen eigenen Therapieprozess gegangen und kennt viele therapeutische Methoden. Er oder sie besitzt Kompetenz, bewahrt jedoch eine sokratische Haltung und den Geist des Anfängers: Ich weiß, dass ich nichts weiß. Er oder sie hütet sich vor festen Vorstellungen, wie der Klient zu sein habe oder der Prozess verlaufen solle.
„Nur der Patient kennt seine innere Wahrheit.“ (IV, S. 120). Der Patient kommt, „weil er Sehnsucht nach dieser inneren Wahrheit und Schönheit hat.“ (ebd.) „Es gibt keine Formel und keine Antwort. Du musst mit der Lebensenergie arbeiten. Nur sein Unbewußtes hat die Gewissheit, was richtig ist. Der Klient weiß es jetzt noch nicht. Du weißt es nicht, ich nicht.“ (Aus einer Supervision mit Gerda Boyesen, IV, S. 129)
Der Therapeut bzw. die Therapeutin verzichtet auf Ausübung von Macht, Druck, „Pushen“, Zwanghaftigkeit und jedes „Du musst“. Er oder sie fördert eine Haltung des Erlaubens und Geschehenlassens im Klienten. Er oder sie unterstützt eine Haltung der vertrauensvollen Hingabe an die (körperlichen) Energien und Prozesse.
„Der Irrtum besteht darin zu glauben, dass man sich umso besser fühlen, um so gesünder sein wird, je mehr man sich und seinen Körper zwingt, die „Aggressionen herauszulassen“. Die direkte Konsequenz dieses Zwangsverhaltens ist eine Akkumulation der Energie und ein noch stärkerer Block als zuvor. Der zweite Effekt: Da sich die gesamte Entladungsaktivität oberhalb des Zwerchfells abspielt, werden die tiefen Schichten der Verdrängung in keiner Weise berührt. Durch dieses „Pushen“, d.h. durch die Ausübung eines solchen Drucks auf ausschließlich oberflächliche Schichten entsteht ein Phänomen, das wir sehr gut kennen: eine neue [sekundäre]Panzerung.“ (I, S. 139)
„Wo das Ich ist, muss das Es erscheinen.“ (I, S. 140).
Das heißt: Es ist wichtig, am Muskelpanzer zu arbeiten, um die emotionalen Energien zu befreien.
„Wo das Ich ist, muss das Es erscheinen, heißt nichts anderes, als dass der Ich-Motor vollständig aus der Libido gespeist werden sollte.“ (I, S. 140) „Es muss aber [in der Therapie] zu einer Versöhnung dieser beiden Energien kommen. Auf jeden Fall zu einem Abreagieren der roten animalischen Energie, sonst sitzt sie wie eine hasserfüllte Ladung im Körper. Sie muss in der Therapie die Möglichkeit bekommen, sich auszudrücken.“(IV, S. 82)
Der Therapeut oder die Therapeutin arbeitet mit dem Material, das dem Ich des Klienten am nächsten ist. Körperlich ist dieses Material verbunden mit einer Flüssigkeitsansammlung im Gewebe.
„Bei der Massage hatte ich beobachtet, dass zwei bestimmte Phänomene immer gleichzeitig und zusammenhängend auftraten: Sobald ein verdrängter emotionaler Zustand reif war (d.h. bereit, sich zu entladen), entstand in der entsprechenden Körperzone eine Flüssigkeitsansammlung (z.B. Frustration und orale Aggression – Anschwellen des Wangenbereichs)….
Ich konzentrierte mich bei der Massage auf diese subtilen Veränderungen des Flüssigkeitsdrucks in den Membranen, Z.B. auf einen ganz bestimmten Punkt bei einem mit Flüssigkeit geladenen Muskel und begriff, dass es sich um Verdrängung handelte, um Rückstände eines nicht vollendeten Emotionszyklus. So entstanden Stoffwechselrückstände im Organismus, die ich „Gewebepanzerungen“ nannte. Die Flüssigkeit wird im Verlauf des Verdrängungsprozesses absorbiert, aber der Gewebepanzer bleibt. Wenn jetzt die Energie wieder in Bewegung kommt, wird der Verdrängungsprozess umgekehrt, aber der Gewebepanzer verhindert den freien Fluss der Energie. Somit wird die Flüssigkeit an den gepanzerten Stellen gestaut – der Energiestau steht tatsächlich in direktem Zusammenhang zum Flüssigkeitsstau.“ (I, S. 50)
Das Ziel der Therapie ist, dass das Es zu einer Kraftquelle des Ich wird und in diesem vollständig aufgeht. Das Ich wird zum unmittelbaren Erfüllungsorgan der kreativen Energien des Es. Motorisches Ich (das mit der Willenskraft verknüpft ist) und libidinöses Es verschmelzen.
„Nun ist aber der Großteil unserer Bewegungen zur Welt hin durch libidinöse Energie bedingt; wenn diese physiologische Energie sich mit der Willensenergie überlagert, dann ist der Fluss der Libido vollständig und die Person kann in ihrer Beziehung zur Welt Lust empfinden.“ (I, S. 121)
„Wenn wir keine Neurose wollen, dann darf es keinen Konflikt zwischen der libidinösen Energie und den willentlichen Bewegungen des Organismus geben.“ (I, S. 120) „Die Vermählung von Es und Ich ist eine natürliche, man könnte sogar sagen eine spirituelle Hochzeit. (I, S. 140)
…verwendet die biodynamische Therapie systematisch entwickelte Techniken, um den visceralen Panzer allmählich zu lockern, indem das Es mit einem minimalen Druck in das Ich eindringen kann, so dass das Ich – das Bewußte – an einem Heilungsprozeß ohne pathologische Konsequenzen teilnehmen kann.“ (II, mit M.L. Boyesen, S. 141)
„Um dahin zu gelangen, dass der Strom des Es wirklich das Ich ernährt, ist es notwendig, dass der Therapeut den Patienten in allen Versuchen unterstützt, bis er seine eigene innere Sicherheit gefunden hat.“ (I, S.142)
Das Höhere Selbst wirkt in diesem Reifungsprozeß als Orientierung, koordinierende Kraft und Stärkung.
„ Das Höhere Selbst muss das Ich nähren, das die motorische Kraft für den kreativen Prozeß einsetzt.“ (III, S. 77) „ In einem nichtneurotischen Organismus gibt die kosmische Energie, die durch ihn hindurchströmt, jeder der willentlichen Bewegungen besondere Kraft.“ (I, S. 120)
Der direkten Arbeit am Körper kommt eine besondere Bedeutung bei, denn „wahre Transformation geht nur durch den Körper.“ Biodynamische Körperarbeit kann direkt an der organischen Basis der psychischen Probleme arbeiten und diese organische und energetische Basis gleichsam aufschmelzen. Das Ziel ist immer der abgeschlossene Energiekreislauf, die Vollendung des vasomotorischen oder emotionalen Zyklus.
„Massage ist gleichzeitig Streicheln des Körpers und der Seele.“ (IV, S. 153)
Ausgeprägte vegetative Reaktionen des Klienten und lautstarke psychoperistaltische Geräusche sind in der Regel ein starker Indikator dafür, dass die Therapie gut voranschreitet. Beispiele für vegetative Reaktionen sind: Zittern, Schweißausbrüche, Übelkeit und Erbrechen, Magenschmerzen, Durchfall, starke Müdigkeit etc. Diese Prozesse werden als Heilungskrisen definiert und begrüßt.
„“Ach ist das passiert? Großartig!“ sagten wir immer wieder zu den Patienten.“ (I, S. 38)
„In meiner Arbeit geht es ja immer um die Provokation von Unbewusstem. Letztlich muss es abreagiert und eliminiert werden.“ (IV, S. 102) Die Abreaktion wird durch die Arbeit an der Atemhemmung erleichtert, die Eliminierung durch die Arbeit an der Psychoperistaltik.
Die Arbeit an der Atmung ist besonders wichtig, da das Zwerchfell als das Tor zum Unbewussten betrachtet wird.
„Wenn ich provozieren will [emotionale Entladungen einladen will], achte ich auf das Zwerchfell. Ich will mehr Zwerchfellatmung haben. Das ist dann wie eine Pumpe, die Unbewusstes aus der Tiefe herausbefördert, oder wie ein Blasebalg, mit dem man in die Glut bläst, damit das Feuer sich entfacht.“ (IV, S. 102)
„Wenn es um das Eliminieren geht, vergesse ich das Zwerchfell und konzentriere mich ganz auf die Psychoperistaltik und ihre Geräusche.“ (IV, S. 102) Die psychoperistaltische Arbeit vertraut dem Feedback des Stethoskops und lässt sich davon leiten. Das Motto lautet: „I don‘t know, queen Elisabeth doesn‘t know, the stethoscope knows.“
Da der menschliche Organismus nicht an den Körpergrenzen aufhört, ist es möglich, tiefe Verdrängungen über Aura-Arbeit aufzulösen. Es stehen differenzierte Techniken zur Verfügung, deren Anwendung besondere Sorgfalt erfordern. Sie eignet sich unter anderem zur Psychosebehandlung.
„Mit der Zeit fand ich heraus, dass diese Methode [die Aura-Methode] auf die Energiezentren des Körpers einwirkte. Die „böse Mutter“ oder das „Ungeheuer von Vater“ sind in diesen Energiezentren lokalisiert….Es schien, als würde mit dem Abziehen der gestauten Energie aus der Aura auch auf der psychologischen Ebene damit identifizierte Persönlichkeitsanteile herausgezogen.“ (I, S. 168)
„Die Aura-Methode ist deshalb für die Psychosebehandlung so geeignet, weil sie wirkungsvoll und zugleich sanft ist.“ (I, S. 170)
Die Förderung von Freude und Lebenslust und des kreativen Potentials des Klienten ist ebenso bedeutsam wie die Durcharbeitung der negativen Gefühle und des Schattens.
„Genauso wichtig wie der Kontakt mit den dunklen Seiten ist der Kontakt mit den schönen und lustvollen Gefühlsqualitäten. Hass und negative Gefühle sind oft nur die Reaktion des kleinen Kindes, dem man nicht erlaubt, seine empfundene Liebe und Lebenslust auch auszudrücken.“ (IV, S. 168)
Das Verständnis und die Einsicht wächst im Körper des Klienten und erreicht sein Bewusstsein, sobald es dafür reif ist. Daher kann der Therapeut oder die Therapeutin weitgehend auf Deutungen, Interpretationen oder Erklärungen verzichten.
„Mit der Peristaltik kommt aber einiges in Bewegung. Die Energie durchfließt die blockierten Passagen und provoziert Erinnerungen. Auch in der energetischen Flüssigkeit befinden sich biochemische Residuale der neurotisierenden Konflikte der Vergangenheit. Wenn man nun die Blockaden durch Massage auflöst, und die Energie zu zirkulieren beginnt, werden die Erinnerungen zurück ins Bewusstsein gehoben. Traumata und alte Konflikte verwandeln sich in lebendige Bilder.“ (IV, S. 168)
Die Therapie kann auf Hilfe vertrauen, denn „die Lebensenergie will von selbst durchkommen.“ (IV, S. 167) Der Therapeut bzw. die Therapeutin braucht die Lösung der Probleme nicht zu kennen.
„Wenn der Muskelpanzer und alle Verdrängungen zu verschwinden beginnen, öffnet sich der Körper für Reinigungsprozesse, die er selbst steuert, so dass negative Gefühle einfacher bearbeitet und bewältigt werden. Zuerst geht es den Blockaden von Glück und Lust an den Kragen. Danach erhalten die himmlischen Eigenschaften vermehrt Raum.“ (IV, S. 173)
Der Therapeut oder die Therapeutin achtet auf eine Pulsation von Spannung und Erholung. Er oder sie fördert die Haltung, sich nach Anstrengungen Entspannung und Zeit für Integration zu gönnen, im Klienten. Selbsthilfetechniken können vermittelt werden.
„Darum bestehe ich auf einem natürlichen Wechsel von Stress- und Entspannungsphasen, ohne den das energetische Gleichgewicht unwiderruflich zerstört oder zumindest so schwer geschädigt werden kann, dass es lange Zeit zur Wiederherstellung braucht.“ (I, S. 149)
Es kann zuweilen ausreichen und der Intention des Klienten entsprechen, an den Symptomen zu arbeiten.
„Eine Person, die kommt, weil sie Stress und sich häufende emotionale Spannung spürt, kommt nicht, um ihren Charakter zu ändern. Mit diesen sollten wir nur an den Symptomen arbeiten und dies kann genug sein.“ (III, S. 84)
Die Sekundärpersönlichkeit kann im Menschen verschiedene Formen annehmen. Gerda Boyesen nennt in Anlehnung an eine hinduistische Tradition folgende Formen: neurotischer Stein, neurotischer Krieger, neurotischer Sonnenschein bzw. Prinz oder Prinzessin auf der Erbse. Für diese Formen werden verschiedene therapeutische Methoden eingesetzt. Die innere Reifung folgt im Leben wie in der Therapie dieser Entwicklungslinie.
„Der neurotische Stein steht am Anfang. Diese Menschen haben einen starken Panzer und sind weder mit ihrem Niedrigen noch mit ihrem Höheren Selbst in Kontakt. Dann kommt der neurotische Krieger. Er muss ständig kämpfen und töten, weil seine Aggression eingesperrt ist. …Eine seiner liebsten Taktiken: Er provoziert unentwegt….Der Panzer bricht und die emotionale Energie bewegt sich….Das nächste sind die Prinzessin und der Prinz auf der Erbse….Es bedeutet, hypersensibel zu sein. Der Panzer ist weitgehend verschwunden, jeder Reiz von außen dringt fast ungefiltert durch. Die Gefühle sind überstark. Man löst sich ständig in Tränen auf. Die Psychosomatik wirkt sich besonders heftig aus. Die Persönlichkeit kann wirklich hysterisch wirken…Es fehlt der Schutz, die dicke Haut.“ (IV, S. 86ff)
Die Auflösung der Neurose ist ein kritischer Wendepunkt im Leben und in der Therapie. Es ist ein gefährlicher Punkt, vergleichbar einem U-turn mit dem Auto, wenn man von der Fahrspur in der einen Richtung auf die entgegen gesetzte Richtung wendet. Das ist oft ein riskantes Manöver, bei dem man aus der Spur getragen werden kann, wenn man nicht umsichtig ist. An diesem Punkt ist besondere therapeutische Vorsicht geboten.
„Zentral ist vor allem der Abbau der Energie, die Verdauung der Gefühle, also die Psychoperistaltik. Ich arbeite mit Gesprächen, mit Bildern, mit freien Assoziationen. So geschieht Integration. Es geht nicht darum, neue Reize auszulösen.“ (IV, S. 91)
[Diese Lebensphase ist reich an Erschütterungen und Krisen, innen wie außen. Es ist interessant, dass das Wort „Katastrophe“, das griechischen Ursprungs ist, tatsächlich „Umkehrpunkt“ bedeutet. P.F., nach R. Dahlke]
Der nächste Entwicklungsschritt besteht in der Festigung der spirituellen Lebensmotivationen. Der spirituelle Krieger formt sich. Die Primärpersönlichkeit gewinnt Gestalt.
„Dessen Charakteristikum besteht in viel Emotionalität, weil die Sekundärpersönlichkeit zerbrochen ist. Die Primärpersönlichkeit kommt ans Tageslicht. Je weniger ausgeprägt der Muskelpanzer ist, desto intensiver wird der Kontakt zwischen der emotionellen Energie und der vitalen Stärke… Der spirituelle Krieger hat einen langen und meist harten Weg hinter sich. Durch alle Charakterstrukturen ist er hindurch gegangen. Er verfolgt nicht mehr ein primär selbstbezogenes, sondern ein höheres Ziel. Der spirituelle Krieger hat für die Spiritualität, die beim Sonnenschein zwar beginnt, aber noch sehr diffus ist, eine Struktur gefunden.“ (IV, S. 93)
„Der letzte Punkt auf dem Entwicklungsweg des liegenden U [Gerdas symbolische Darstellungsform des Wegs] ist die Erleuchtung.
„Sie ist sicher nichts, was sich herstellen lässt. Das Leben selbst kann sie schenken, wenn man lange genug darauf hinarbeitet.“ (IV, S. 95)
LITERATUR
I Boyesen, Gerda (1987): Über den Körper die Seele heilen. Biodynamische Psychologie und Psychotherapie, München: Kösel
II Boyesen, Gerda, Boyesen, Mona Lisa (1977):Biodynamische Theorie und Praxis, in: Hilarion G. Petzold [1977, Hrsg.]: Die neuen Körpertherapien, Paderborn: Junfermannsche Verlagsbuchhandlung, 140-157
III Boyesen, Gerda (1996): Die Dynamik der Psychosomatik, in: Energie & Charakter, Zeitschrift für Biosynthese – Somatische Psychotherapie, Bd. 27, Heft 14, 70-85
IV Boyesen, Gerda, Leudesdorff, Claudia, Santner, Christoph (1995): Von der Lust am Heilen, München: Kösel
V Boyesen, Gerda (1995): Psychotherapie und Spiritualität, in: Zundel, Edith & Loomans, Pieter [1995, Hrsg.]: Im Energiekreis des Lebendigen: Körperarbeit und spirituelle Erfahrung, Freiburg Basel Wien: Herder, 176-185
VI Boyesen, Gerda (1987): Die Methode der biodynamischen Entspannung, in: Boyesen, Gerda & Boyesen, Mona-Lisa (1987): Biodynamik des Lebens. Die Gerda-Boyesen-Methode – Grundlage der biodynamischen Psychologie, Essen: Synthesis, 7-23